05.10.2022 / Agenda Innere Stadt

Wir wollen ein Wohnbezirk bleiben

Der öffentliche Raum ist ein heiß umkämpftes Gut in der Stadt. Dies gilt vielleicht umso mehr für die Innere Stadt.

 

Trotz der für September ungewöhnlich kalten Temperaturen, haben sich am fast runden Tisch 15 Personen zusammengefunden, um sich über den öffentlichen Raum in der Inneren Stadt zu unterhalten.

Bezirkspolitiker*innen, interessierte Bewohner*innen, ein Gastronom und ein Verkehrsexperte führten eine angeregte Diskussion über die Potentiale und Grenzen des Raumes.

 

Jonglieren zwischen Weltkulturerbe und Wohnbezirk

 

Bezirksvorsteher Markus Figl berichtete, dass die Innere Stadt ihren Freiraum vielfach vergeben könnte, wenn auf alle Ansprüche Rücksicht genommen würde. So kommt es, dass die Bezirkspolitik ständig einen Ausgleich schaffen muss, auf Ausgewogenheit bedacht ist und dabei zwischen Weltkulturerbe und Wohnbezirk jongliert.

 

Der historische Stadtkern ist zu bewahren, das Wohnen muss leistbar und attraktiv bleiben, der Tourismus ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, Gastronomie und Geschäfte als Anziehungspunkt und Arbeitsort für alle Menschen in Wien und rundherum, Erholungsflächen und nicht zu vergessen die Verkehrsflächen ....

 

Der Verkehrsplaner Romain Molitor gab zu bedenken, dass die Verkehrsflächen immer von Hauskante zu Hauskante zu betrachten sind und innerhalb dieses Querschnittes auch neu gedacht werden kann. Es gilt visionär zu denken.

 

Dies scheint in Anbetracht der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auch nachvollziehbar. Der Michaelerplatz war in den 1960er Jahren noch zugeparkt, die Kärntner Straße – das wohl bekannteste Beispiel in Wien – wurde bis 1974 noch von Autos befahren.

 

Eine Stadt muss sich entwickeln können

 

Molitor betonte, dass zeitgemäße Gestaltung wichtig ist. Entwicklungsflächen werden benötigt, damit eine Entwicklung auch stattfinden kann. Er warnte vor „Musealisierung“ – die Innere Stadt soll kein Freilicht-Museum werden, Veränderung fand immer statt und wird immer stattfinden.

 

Die Stadt muss für ihre Bewohner*innen und deren Alltag erreichbar bleiben – erreichbar mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln. Wie diese Erreichbarkeit aussieht, genau das ist auszuhandeln. Hier braucht es Flexibilität von allen Seiten. Dies ist seiner Ansicht nach eine der Voraussetzungen, dass der 1. Bezirk auch bewohnt bleibt.

 

Aufenthaltsqualität für die Menschen

 

Schnelle Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität sind ebenso wichtig, wie stetig Maßnahmen gegen die Überhitzung der Inneren Stadt zu setzen. Hier liegt die Priorität bei der konsequenten Pflanzung von Bäumen. Bäume kühlen durch ihren Schatten und bei ausreichender Versorgung mit Wasser wirkt zusätzlich die Verdunstung kühlend.

Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass großkronige Bäume vorzuziehen sind und entsprechend Platz benötigen, damit diese sich auch entfalten können.

 

Auch die Radinfrastruktur kann eine Stadt zum positiven verändern. Das Beispiel Paris wurde in der Runde diskutiert. Paris hat sich vorgenommen rund zwei Drittel der Stellplätze an der Oberfläche zu reduzieren. Dies ist in der Zwischenzeit auch wirklich sichtbar. Die Radinfrastruktur wird konsequent ausgebaut. Entlang der Seine wurden Teilbereiche von befahrbarer Straße zu Flaniermeilen, die nur den Fußgänger*innen vorbehalten sind, umgewandelt.

 

Mut ist gefragt

 

Es muss nicht immer sofort ein kompletter Straßenumbau sein. Ein Bewohner berichtet, dass die kleine neu gestaltete Fläche in seinem Grätzl, mit ein paar Sitzmöglichkeiten, Stauden und ein paar Bäumen sehr gut angenommen wird und das Leben im Grätzl aufwertet.

 

Es muss auch nicht immer alles von Beginn an verplant sein. Mut zu freien Flächen und vor allem nutzungsoffenen Flächen ist gefragt.

 

Die Menschen und ihre Ideen entwickeln sich ständig weiter. Dies gilt ebenso für die Stadt – sie braucht Raum sich zu entwickeln.