Wenn die CO2-Würfel fallen
Dr. Klaus Renoldner ist 75, sichtbar fit und voller Begeisterung für die Sache. Das unterschreiben sicherlich alle, die bei seinem Workshop in der Bezirksvorstehung Wieden am 16.10. dabei waren. Die Sache, die ihn umtreibt, mag eine große Herausforderung darstellen, ist aber leicht benannt: gesunde und klimafreundliche Mobilität fördern! Nun aber der Reihe nach…
Die Agenda-Gruppe Raum-Fair-Teilen lud Dr. Renoldner auf die Wieden ein, um sein Wissen und sein selbst entwickeltes „Mobility“-Spiel zu teilen. „Der radelnde Landarzt“ – wie der innovative Vordenker und Fürsprecher für ein Umdenken in unserem Mobilitätsverhalten auch genannt wird – beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit den Zusammenhängen zwischen Mobilität, Klima und Gesundheit. Noch lange bevor CO2-Emissionen ein breit diskutiertes Thema waren, erkannte er, dass unsere autozentrierte Mobilität für die Umwelt und uns Menschen Probleme erzeugt: das Autofahren (vor allem alleine) hat nicht nur einen hohen Energieverbrauch, sondern wird oft auch auf Strecken praktiziert, die auch auf andere Weise zurück gelegt werden könnten. Als Landarzt im Waldviertel unternahm Renoldner einen Selbsttest unter erschwerten Bedingungen: er verringerte seine Autokilometer von rund 30.000 km pro Jahr auf 2.000km, und fuhr in Spitzenzeiten jährlich knapp 10.000km mit dem Fahrrad stattdessen. Er kombinierte wo möglich mit Bus und Bahn, und Urlaubsreisen verlagerte er ganz auf die Bahn.
Jetzt ist es natürlich verständlich, wenn manche Menschen auf solche Vorbilder mit Skepsis reagieren. „Ist ja realitätsfern…“ mag man denken! Aber Dr. Renoldner hat auch gute Argumente für pragmatische Lösungen: Aus diversen medizinischen Studien hat er errechnet, dass 1 Stunde ausgiebige Bewegung an 6 Tagen pro Woche (über einige Jahre hinweg) reicht, um 96% der positiven Gesundheitseffekte von Bewegung allgemein zu ernten. Und er hat umgerechnet, was das in aktiver Mobilität bedeutet: 4-5km zu Fuß gehen bzw. 15-20km Radfahren täglich. Hast du schon mal nachgerechnet, wie weit dein Weg in die Schule, Arbeit oder zu Freund*innen ist? Häufig sind diese Wege gar nicht viel länger, oder können in der Kombination mit Öffis auf diese Längen reduziert werden.
Doch kehren wir zurück ins Amtshaus und zur Frage des CO2s. Auf drei Tischen waren die Spielbretter des interaktiven Lernspiels „Mobility“ aufgebaut: ein Spielbrett und zahlreiche Würfel in unterschiedlichen Größen mit bunten Zahlen drauf. Das Konzept ist simple: 1 Würfel steht für eine gewisse Menge CO2 (z.B. 10kg), und wie weit man mit diesem Budget mit unterschiedlichen Mobilitätsformen (über den ganzen Lebenszyklus, also inklusive Produktion) kommen würde, nämlich: 40 km mit dem Verbrenner Auto oder Flugzeug, 180 km mit dem Elektroauto, 500 km mit den Öffis, und unglaubliche 10.000km mit dem Fahrrad. Dann gab es für die Teilnehmer:innen – darunter auch die beiden Bezirksvorsteherin-Stellvertreter*innen Riepl und Eichler – eine Aufgabe: das Mobilitätsverhalten einer durchschnittlichen Person aus Österreich ökologisch, gesund und realistisch gestalten. Vorgegeben sind die Anzahl der Kilometer für Arbeits-, Einkaufs-, Freizeit- und Urlaubswege. Mit den Würfeln kombinierten die Spieler*innen jetzt die unterschiedlichen Mobilitätsformen. Und zählten abschließend die CO2-Werte zusammen. Die Erkenntnisse waren frappant: mit intelligenten Kombinationen lassen sich beträchtliche Mengen CO2 sparen, ohne auf Mobilität verzichten zu müssen.
Im Anbetracht der erschreckenden Entwicklung der Klimakrise ist es nicht verständlich manchmal zu denken: „Die Würfel sind gefallen.“ Am Abend mit Dr. Renoldner war das aber sicherlich nicht der Fall, denn da erlebten die Teilnehmer*innen etwas anderes: lassen wir lieber die CO2 Würfel des Mobility Spiels (und manche unserer Gewohnheiten) fallen, und lernen dadurch, wie wir alle durch unser alltägliches Verhalten tatsächlich einen Unterschied machen können!