Klimaziele und soziale Gerechtigkeit – Zusammenhalt durch Partizipation
Erkenntnisse aus der Dialogveranstaltung
Zusammenkommen, über die wichtigen Themen der Zukunft, wie Klimaziele und Partizipation reden, Ideen sammeln, um eine zukunftsfähige Stadt zu entwickeln und den Abend mit guter Stimmung ausklingen lassen? Damit starteten wir, am 22. Mai, die neue Veranstaltungsreihe der Lokalen Agenda 21 Wien „Nachhaltig im Gespräch: Visionen für die Zukunft“.
Mit etwa 50 Teilnehmer:innen gingen Angelika Pipal-Leixner (Stv. Vorsitzende des Gemeinderatsausschusses Klima, Umwelt, Demokratie und Personal und stv. Vorsitzende des Vereins Lokale Agenda 21 Wien), Richard Bärnthaler (WU Wien), Nina Harm (Mitgestalterin bei der Lokalen Agenda Landstraße und Nachbarschaftsgarten Sophiengarten), Hans Emrich (Projektleiter der Lokalen Agenda Landstraße und Favoriten) und Monika Stumpf-Fekete (MD-BD – Kompetenzzentrum übergeordnete Stadtplanung, Smart City Strategie, Partizipation, Gender Planning) der großen Frage des Abends nach:
Welchen Beitrag leistet Partizipation zum Erreichen der Klimaziele und wie müssen wir Partizipation künftig denken, um gemeinsam sowohl soziale als auch ökologische Herausforderungen zu lösen?
Neben dem Impulsvortrag von Richard Bärnthaler und der Gesprächsrunde stand der Dialog mit allen Teilnehmer:innen im Vordergrund. Folgende zentrale Erkenntnisse konnten wir aus dem gemeinsamen Dialog für Partizipation in Wien und die Lokale Agenda 21 Wien mitnehmen:
Unterschiedliche Lebenswelten und Bedürfnisse: Warum es so schwierig ist, über Klimathemen zu sprechen
Artensterben, Hitzeinseln, Fluten oder Wasserknappheit erfordern dringendes Handeln von allen Bewohner:innen Wiens – also „Red´ma drüber!“. Warum das aber nicht so einfach ist, erklärte Richard Bärnthaler so:
Innerhalb unserer Gesellschaft gibt es verschiedene Milieus mit Menschen, die unterschiedliche Meinungen haben und Lebensstile führen. Der aktuelle Trend zu steigendem Konsum erfordert dringend Maßnahmen und Praktiken die sich an Suffizienz orientieren, die den Verbrauch von Ressourcen wie Wasser, Energie, Land und Material vermeiden. Gleichzeitig sollten sie das Wohlbefinden aller berücksichtigen. Einige Menschen fordern dahingehend dringend Veränderung, andere wollen jedoch am Altbewährten festhalten. Eine der schwierigsten Aufgaben im Wandel ist es, alle Menschen in ihren Lebenswelten abzuholen.
Forschungsergebnisse zeigen, dass Formate im Namen des „Klimas“ und der „Nachhaltigkeit“ tendenziell bestimmte Milieus ansprechen und bei anderen aber auf Desinteresse bis zu Widerstand stoßen. Ein vielversprechender Lösungsansatz: Nicht den Aufhänger „Klima“ wählen, sondern bei den Infrastrukturen und Umständen der Lebensrealitäten der Menschen an einem Ort ansetzen. Diese gemeinsamen Erfahrungen aus dem Alltagsleben verbinden und schaffen Interesse und Anknüpfungspunkte für Auseinandersetzung.
Gemeinsames kultivieren und gleichzeitig strukturelle Widersprüche offenlegen
Der Klimafahrplan und die Smart City-Strategie der Stadt Wien formulieren ambitionierte Ziele, um Klimaschutz und Klimawandelanpassung zu Gewährleisten. Gleichzeitig haben Partizipationsprogramme Standards bei der Teilhabe von Wiener:innen in der Stadtentwicklung gesetzt. Um diese Ziele der Stadt partizipativ zu erreichen ist es laut Richard Bärnthaler, Sozialwissenschaftler am Institut für Multi-Level Governance and Development der WU Wien, notwendig über milieubedingte Unterschiede hinweg, Gemeinsamkeiten und Einigkeit herzustellen, beispielsweise über den Wert eines lebendigen Grätzl- oder Ortszentrums. In weiterer Folge muss strategisch erfolgreiche Partizipationsarbeit aber klarmachen, dass es strukturelle Widersprüche gibt, wie zum Beispiel der Notwendigkeit Parkplätze zu reduzieren und den Verkehr zu beruhigen. Gewisse Praktiken sind zu beenden. Die Verständnis und Übereinkunft darüber ist über gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, selbstverständlich mit Unterstützung von politischen Entscheidungsträger:innen, herzustellen.
Effektive Beteiligungsprozessen brauchen zudem einen Rahmen, denn die Fragen, die dabei gestellt werden sind entscheidend für die Ergebnisse. Die Politik ist dabei angehalten die Anliegen der Bürger:innen ernst zu nehmen und Mehrheiten für diese Fragen zu finden, sowie über positives Framing und Geschichten alternative Ansätze schmackhaft zu machen. Die Kommunikation muss dabei im Dialog und wertschätzend stattfinden, wobei auch Konflikte als Teil von Aushandlungsprozessen zu verstehen sind.
Zentrale Herausforderung: Klimarelevante Themen in der Sprache von Alltagsproblemen ausdrücken und Teilhabemöglichkeiten erweitern
Beteiligungsangebote für Bürger:innen, wie Grätzloasen, Gemeinschaftsgärten oder verbesserte Fuß- und Radwege zeigen direkt vor der eigenen Haustüre, wie sich die Stadt verändern kann. Aber es braucht mehr davon und Alternativen brauchen die Gelegenheit geübt und kennengelernt zu werden! Dabei ist zu beachten, dass Beteiligung grundsätzlich für alle Menschen offen ist, aber nicht jede:r die persönlichen Kapazitäten hat, aktiv mitzugestalten und am Ball zu bleiben. Einfach Sprache und Mehrsprachigkeitskompetenzen sind aktuell Wege, um die Niederschwelligkeit von Angeboten zu erhöhen. Dazu gehört auch sich von abstrakteren Begriffen zu lösen und eher anhand von Alltagserfahrungen zu kommunizieren.
Ebenso ist das Thema Zeitwohlstand entscheidend. Haben Menschen neben den Alltagsaufgaben Zeit sich zu engagieren und wer sind die Personen, die es hier schwerer haben. Hier braucht es wohl Multiplikator:innen, die stellvertretend für Bedürfnisse dieser Menschen sprechen können. Besonders Armutsbetroffene sind hier vermehrt zu berücksichtigen.
Als vielversprechend zeigt sich dabei auch anlassbezogene Partizipation, die auf eine klare Fragestellung ausgerichtet ist und dabei bemüht ist viele Bedürfnisse miteinzubeziehen. Letzten Endes stellt Partizipation auch eine Notwendigkeit dar, der gegebenen Fragmentierung der Gesellschaft aktiv entgegenzuwirken und diverse Teilhabemöglichkeiten bieten.