Geschäft(e) in Frauenhand! Ein Themenspaziergang im Freihausviertel
Ende September ogansierte die Agenda-Gruppe „Begegnung im Freihausviertel“ einen Themenspaziergang, der Geschäftsfrauen im Freihausviertel vor den Vorhang holte. Sieben unterschiedliche Geschäfte, ihre Besitzerinnen bzw. Geschäftsführerinnen und spannende (Alltags-)Geschichten konnten die Gäste beim Spaziergang kennenlernen. Der Spaziergang fand im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche 2020 statt und machte auf die Stadt der kurzen Wege aufmerksam, denn im Freihausviertel gibt es zahlreiche tolle Geschäfte zu entdecken!
Den folgenden Beitrag, der Lust auf einen Bummel im Freihausviertel macht, hat Christian Schreiner von der Agenda-Gruppe verfasst:
„Die Beste für den Job“
Alexandra Fedek von der „Tabak-Trafik Fedek“ ist seit 10 Jahren selbstständig nachdem sie das Geschäft von ihrer Mutter übernommen hat. Diese war seinerzeit, 1987, zusammen mit der Technischen Universität ins neue Freihaus eingezogen und gehört seit damals für viele Uni-Mitarbeiter*innen und Studierende, Schulkinder und Pensionist*innen zum Bild der Arkaden der TU, nahe der Straßenbahnhaltestelle.
An 6 Tagen die Woche von 6 bis 18 Uhr, 50 Wochen im Jahr mit einem Arbeitsbeginn ab 4.30 steht Frau Fedek mit ihrem kleinen Team im Geschäft. „Es ist viel Arbeit, aber es macht Spaß. Jeder kennt hier jeden und hilft sich“, spricht Frau Fedek den herzlichen, dörflichen Charme des Grätzls an. Dabei ist es egal, ob die Geschäftsführung in der Hand eines Mannes oder einer Frau sei. Wichtig ist, „der Beste für den Job zu sein“. Corona hat den Betrieb, wie viele, hart getroffen. Einen Umsatzrückgang von 30% trotz beinahe voller Öffnungszeiten während des Lockdowns kann man nicht mehr aufholen. Doch eine breit aufgestellte Trafik wird immer gebraucht, ist Frau Fedek überzeugt und blickt leicht optimistisch in die Zukunft.
Wo zu finden?
Tabak-Trafik Fedek, Wiedner Hauptstraße 8-10
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„Ich möchte, dass die Leute wieder gerne kommen.“
Auch Frau Majlinda Jovani vom Geschäft „Blumen Jovani“ ist zufrieden mit der Arbeit, die sie gerne macht, was bei vergleichbaren Rahmenbedingungen wie Frau Fedek und der Tatsache, dass sie alleine im Geschäft arbeitet, Respekt abverlangt.
Frau Jovani war zuerst Angestellte, hat das Geschäft übernommen, nachdem die Chefin in Pension ging. Auf die Frage, was sie motiviert, schmunzelt sie und betont ihr herzliches Verhältnis zu ihren Stammkund*innen. Ein Passant hört das zufällig, bleibt stehen und verkündet im Brustton der Überzeugung das sei „eines der besten Blumengeschäfte auf der Wieden“. Dann bedankt er sich bei Frau Jovani, die sichtlich gerührt ist und geht weiter.
Angesprochen auf die Corona-Zeit schüttelt Jovani den Kopf. „8 Wochen zu. Die Leute kaufen weniger. Das merkt man.“ Was sie sich wünscht? „Ich möchte, dass die Leute wieder gerne kommen.“ Ein Wunsch, den alle kleinen Geschäfte auf der Wieden verbindet.
Wo zu finden?
Blumen Jovani, Wiedner Hauptstraße 14
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„Die Wieden ist wie meine zweite Heimat“
Auch Gabriele Sabeditsch vom „Coiffeur Wieden“ hat den Betrieb nach der Pensionierung der Chefin 2008 übernommen. Dieses Geschäft gehört schon lange zu den etablierten Nahversorgern im Freihausviertel. Fast solange ist Frau Sabeditsch dabei. Die Lehre hat sie 1995 begonnen, der Betrieb existiert seit 1991. Nun führt die Friseurin ihn mit einer Angestellten. Besonders schätzt auch sie den dörflichen Charme der Wieden. Sie pendelt täglich aus Niederösterreich herein und betont ebenfalls: „Wir sind hier wie eine kleine Familie. Man kennt sich und man hilft sich.“ Und dank der treuen Stammkundschaft und einiger Reserven kam das Geschäft gut durch die harte Zeit des Lockdowns.
Wo zu finden?
Coiffeur Wieden, Wiedner Hauptstraße 16
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Volle Blumenkraft
Das exquisite „Blumenkraft“, mit seiner Geschäftsführerin Christine Fink, bietet seit 1999, mit aktuell 12 Mitarbeiter*innen, ein opulentes Sortiment an Blumen aus Holland, Italien, Israel und heimischem Anbau. Durch das Portal ins Geschäft zu kommen, das im architektonischen Original erhalten wurde, heißt in eine fantastische Welt einzutauchen. „Irrsinnig hohe Räume“ ohne Zwischendecken, freigelegte Gusseisen-Säulen, hohe Glasvasen mit exotischen Pflanzen und eine Fülle von Farben, Blumenarten und Gerüchen - hier einzukaufen ist ein besonderes Erlebnis. Kein Wunder also, dass sich Frau Fink bereits einen großen Namen im Hotel und Geschäftskundenbereich aufgebaut hat. Dank des zweiten wichtigen Standbeins, dem Privatkundenverkauf, der wieder „gut läuft“, konnte die Corona-Krise durchtaucht werden, wenn auch das „Hoteleriegeschäft derzeit schlecht läuft“. Doch man hat den Eindruck, dass die aktuelle Phase der Unsicherheit, auch hier dem Engagement der Wiedner Geschäftsfrau keinen Abbruch tut.
Wo zu finden?
Blumenkraft, Schleifmühlgasse 4
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„Heute fragen´s nach der Schieflage“
Selten war ein Name treffender für ein Geschäft als „Feine Dinge“, geführt von Sandra Haischberger. Begonnen 2005 am Margaretenplatz, ist die Porzellanmanufaktur seit 2014 im bekannten Lokal in der Margaretenstraße mit seinen großen Auslagen und der üppig begrünten Front zu finden. Der Kundschaft bietet sich hier die einmalige Gelegenheit direkt in die Werkstatt zu schauen, live beim Herstellungsprozess dabei zu sein. Mit 7 Mitarbeiter*innen designt und schafft Frau Haischberger hier in komplexen, langwierigen Schritten Dinge aus Porzellan, die zu leben scheinen. Kunstwerke, die, neben den Bewohner*innen der Wieden, ein internationales Publikum an Händler und Concept Stores in der EU, vor allem Deutschland, der Schweiz und Skandinavien, zu schätzen weiß.
Frau Haischberger erzählt von ihrem Design-Konzept, wie sie ihren individuellen Stil entwickelt und umgesetzt hat. Dabei erinnert sie sich schmunzelnd, dass vor einem Jahrzehnt in Handarbeit hergestellte Tassen nicht kreisrund, sondern oval waren („Porzellan lebt“). Ein Umstand, der erst nach und nach Eingang in den Geschmack der Käufer*innen fand. „Das ist aber überwunden. Heute fragen´s nach der Schieflage und sehen sie als Qualitätsmerkmal.“ Den Lockdown hat „Feine Dinge“ zunächst als schwierig erlebt. Doch dadurch, dass „die Leute viel zuhause waren, haben sie sich wieder mit dem Thema Wohnen und Dingen, die man lange schon wollte, beschäftigt.“ Die Folge war eine hohe Anfrage an Bestellungen per Mail, was aktuell eine gute Auslastung brachte, die hoffentlich noch lange anhält.
Wo zu finden?
Feine Dinge, Margaretenstraße 35
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„Ich biete Wiener Slow Fashion“
Ingrid Raab mit „FLO Vintage“ gilt als die Pionierin auf dem Gebiet der Vintage Mode. Als sie 1978 ihre Karriere als Journalistin an den Nagel hing und ihr Hobby zum Beruf machte, war es notwendig sich vom negativ behafteten Begriff Second Hand zu distanzieren. Daher verkauft Frau Raab seit 40 Jahren erfolgreich Vintage Mode, Kleidungsstücke aus verschiedenen Jahrzehnten, die durch ihre Schnitte und hochqualitative Verarbeitung bestechen. Zu jedem Stück, das sie in Kommission hat, kennt Frau Raab die Geschichte zur Person, die ihr das Stück überlassen hat. Ihre Kundinnen sind hauptsächlich Frauen zwischen 17 und 80, die das Besondere suchen. „Anfang der 1990er gab es die letzte erkennbare Modelinie. Seit damals werden nur mehr Stile gemischt, oft in schlechter Qualität produziert. Was sollen sie auch erfinden? Es war alles schon da. Ich bietet Slow Fashion. Meine Kleidungsstücke dienen als Vorlage für internationale Designer, die sich von Schnitten und Stoffmustern inspirieren lassen.“ Kein Wunder also, dass Frau Raab, unterstützt von ihrem Mann Karl, viel von Tourist*innen frequentiert wird, die sie mit dem Reiseführer in der Hand aufsuchen. Und das aus der ganzen Welt, die leider in Corona-Zeiten kleiner wird, was FLO Vintage auch im Umsatz leidlich merkt.
Wo zu finden?
FLO Vintage, Schleifmühlgasse 15a
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„Ja nie so werden wie die“
So lebendig wie das Viertel, mit einer Kundschaft „quer durch den Gemüsegarten“ wirkt Ulli Bertsch von FORTSCHNITT auf der Wienzeile. Sie einfach als „Friseurin“ zu titulieren, ist ein Understatement. Die „Autodidaktin“ zog es nach einer mühseligen Lehre in Vorarlberg „so weit weg als möglich“. Wenn schon Wien, dann gleich zu den „Weltmeistern Bundy & Bundy im ersten Bezirk“ war das Motto. Zahlreiche raffinierte Lockenarten an Models später kam dann die Ernüchterung. Es folgte ein Wechsel in den Salon in der Praterstraße, dann wieder Stationen im 1. Bezirk bis der Schritt in die Selbstständigkeit zwingend folgte. Ein Wagnis, den Frau Bertsch, dank treuer, langjähriger Kund*innen bis heute nicht bereut hat.
Das Geheimnis ihres Erfolgs ist vielschichtig. „Die Einzige in Österreich, die Neo-Punk macht“ nennt sie einen Faktor. Ein anderer dürfte wohl das grundlegende Konzept der wechselnden Vernissagen im Geschäft sein, das seinerzeit die Bank so beeindruckte, dass sie den Betrieb ohne Bürgschaft finanzierte. Auch die mediale Aufmerksamkeit der „Vorarlbergerin im Exil“, der eine eigene Sendung – Titel: „Kunst im Kopf“ - im Bayrischen Fernsehen gewidmet wurde, untermalt den Erfolg. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums entwarf Frau Bertsch eine Ausstellung mit Haarobjekten, die hochgelobt, auch das Wiener Fernsehen faszinierte. Frau Bertsch, warum sind sie erfolgreich? „So wie ich schneidet niemand. Ich mache Gefühlshaarschnitte.“ Und das hoffentlich noch sehr, sehr lange für ihre Kund*innen auf der Wieden und darüber hinaus.
Wo zu finden?
FORTSCHNITT Hairstyle, Rechte Wienzeile 15