04.12.2018 / Agenda Innere Stadt

Entschuldigen Sie – aufpassen!

Gibt es unangenehme Situationen auf ihrem täglichen Weg? Ärgern sie sich oft über eine Person oder eine seltsame Regelung an einer Kreuzung?

 

Täglich passieren abertausende Begegnungen im Straßenraum. Der Großteil verläuft ohne Unfall, freundlich und gelassen. Aber es gibt auch immer wieder Stellen und Situationen die mit Beschimpfungen oder sogar Blech- und Personenschaden enden. Kennen Sie solche Situationen oder hotspots in der Innenstadt? Was denken Sie, können wir alle tun, damit diese Konflikte weniger werden? Haben Sie Ideen dazu?

 

Mit einer Auftaktveranstaltung haben wir erste Erkenntnisse gewonnen und werden weiter daran arbeiten! Bringen auch Sie sich ein um das Zusammenleben im ersten Bezirk zu verbessern. Die Termine folgen in Kürze!

 

Mit ExpertInnen (siehe Ende des Artikels) und weiteren Interessieren analysierten wir, warum es zu Konflikten und unsicheren Situationen kommt, wo diese vor allem auftreten und welche Möglichkeiten wir haben, gemeinsam die Konfliktsituationen zu entschärfen.

 

Fazit:

Vieles hat sich verbessert in den vergangenen Jahren, die Stadt entwickelt sich weiter, aber es bleibt noch viel zu tun! Die Situationen und Orte der Konflikte sind definierbar, Lösungen aber nicht immer einfach, da neben vielen Interessen auch das menschliche Verhalten ein große Rolle spielt.

 

Zu Fuß Gehen macht jeder und es ist - insbesondere in der Innenstadt - das wichtigste Verkehrsmittel. Hier gilt es eine hohe Qualität zu erhalten – gelingen kann dies nur, wenn alle gemeinsam ihr eigenes Verhalten reflektieren und Rücksicht nehmen, wieder stärken in den Vordergrund rückt.

 

Es liegt an uns allen! Jeder ist mal zu Fuß, mal mit dem Rad oder Auto unterwegs. Bei konfliktträchtigen Situationen müssen wir durch Einfühlungsvermögen, Respekt und Verständnis auf das Verhalten der Mitmenschen reagieren. Es macht Freude auch mal Raum zu geben und jemandem den Vorrang zu lassen, auch wenn man lt. StVo selbst Vorrang hätte. Probieren Sie es aus!

 

 

 

Nachlese der Auftaktveranstaltung:

 

Warum kommt es immer wieder zu Konflikten?

 

Vorweg wurde von den ExpertInnen festgehalten: Es gibt „gefühlt“ viele Konflikte im Straßenverkehr, jedoch ist die Situation lang nicht so schlecht, wie sie manchmal dargestellt wird. Vieles hat sich verbessert im Zusammenleben im Straßenverkehr. Meist behalten wir nur die negativen Erfahrungen in Erinnerung. Dass 15 Minuten davor jemand uns freundlich beim Queren der Straße rübergewunken hat, vergessen wir schnell.

 

Wien wächst stetig und der öffentliche (Straßen)Raum, insbesondere im dicht verbauten Zentrum der Stadt, hat seine Grenzen. Immer mehr VerkehrsteilnehmerInnen mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln tummeln sich auf oft auf zu engem Raum.

 

Viele Menschen sind unter Zeitdruck unterwegs und sind auf die eigenen Bedürfnisse konzentriert. Im Straßenverkehr ist es wichtig mit allen Sinnen auf die anderen VerkehrsteilnehmerInnen zu achten. Gerade in der Innenstadt, wo täglich ein große Anzahl an FußgängerInnen auf unterschiedlichste Verkehrsmittel treffen, ist dies umso wichtiger!

 

Die ExpertInnen nannten auch die zu hohen Geschwindigkeiten im Straßenverkehr als Ursache von Konflikten. Der regelmäßige Sichtkontakt ist nur mehr schwer möglich, das Achten und Reagieren auf mobilitätseingeschränkte Personen oder auf das Verhalten von Kindern wird schwieriger.

 

Zu große Unterschiede in der Geschwindigkeit einzelner VerkehrsteilnehmerInnen auf einer gemeinsamen Fläche haben ebenso ein hohes Konfliktpotential. Ein gemischt geführter Fuß- und Radweg führt zwangsläufig zu Konflikten, wenn viele zu Fuß Gehende gemütlich dahinflanieren und gleichzeitig Radfahrende auf der gleichen Fläche ihre Alltagswege bewältigen wollen. Mischung von VerkehrsteilnehmerInnen ist dann sinnvoll, wenn die Geschwindigkeit aneinander angepasst werden kann und dies auch passiert!

 

Es wurden auch Beispiele besprochen, bei denen die vorhandene Infrastruktur die BenutzerInnen teilweise ratlos zurück lässt. Manche Kreuzungen sind unklar geregelt, insbesondere das Abbiegen ist oft konfliktbehaftet. Ampelgeregelte Kreuzungen sind nicht immer die beste Lösung für alle – an einigen Kreuzungen wurde in Wien auch die Ampeln wieder entfernt – mit durchaus erfreulichen Ergebnissen.

 

 

Das gute Zusammenspiel aller ist wichtig

 

Nicht ein einzelnes Verkehrsmittel ist wichtig, sondern das gute Zusammenwirken aller Verkehrsmittel und damit aller Verkehrsteilnehmenden. Wir alle beteiligen uns täglich am Straßenverkehr in unterschiedlicher Form. Es gibt nicht den Radfahrer oder die Autofahrerin, den Fußgänger oder die Straßenbahnbenützerin. Schon 20 Minuten später steigt eine Autofahrerin aus und wird selber zur Fußgängerin, sie ist eine Stunde später am Roller unterwegs oder steigt in den Citybus. Wir alle schätzen diese flexiblen Möglichkeiten und wollen vor allem unser Ziel erreichen, möglichst schnell, bequem und unkompliziert. Eine kluge Mischung an Verkehrsmitteln ist erfolgsversprechend!

 

Die Herausforderung bleibt

 

Als lebenswerte Stadt gilt es diese Herausforderung anzunehmen und den Menschen die hohe Lebensqualität auch weiterhin zu erhalten.

 

Das Radfahren nimmt stetig zu, andere Fortbewegungsmittel wie Scooter kommen hinzu. Dies ist grundsätzlich positiv zu sehen, da diese Fortbewegung platzsparend, gesundheitsfördernd und umweltfreundlich ist. Der zur Verfügung stehende Straßenraum bleibt jedoch begrenzt. Hier gilt es umzudenken. Einerseits in der Raum-Aufteilung und andererseits im Umgang untereinander.

 

Vieles ist schon geschafft – es gibt es noch viel zu tun

 

Die ExpertInnen und viele Diskutierende waren sich einig: Es hat sich bereits sehr viel verbessert. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, NGO´s, den Magistratsdienststellen, den politischen EntscheidungsträgerInnen und der Bevölkerung fruchtet und ist sinnvoll.

 

Die Infrastruktur muss an die Gegebenheiten angepasst werden, jede Situation hat ihre Eigenheiten. Die Stadt Wien macht ständig Infrastrukturanpassungen und neue Planungsansätze werden ausprobiert. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. In den 1970er Jahre wurde im Zuge des U-Bahn-Baues die Kärntner Straße von einer stark befahrenen Straße in eine Fußgängerzone umgewandelt. Dass früher mal eine mehrspurige Straße durch die jetzige Fußgängerzone führte, ist heute unvorstellbar.

 

Die Begegnungszone ist derzeit in aller Munde, auch hier gilt es sicherlich noch Erfahrungen zu sammeln. Mobilitätseingeschränkte Personen oder ältere Menschen finden sich nicht immer so leicht zurecht mit dieser Planungsphilosophie. Die Lieferung, das Zufahren und vieles mehr muss mitgedacht werden. Die Stadt und ihre Infrastruktur entwickelt sich weiter und hat aufgrund der Klimakrise noch einige große Herausforderungen vor sich. Auch die Innenstadt reagiert auf die anstehenden Herausforderungen und arbeitet ein neues Verkehrskonzept für den 1. Bezirk aus, bei dem es die Möglichkeit gibt sich einzubringen.

 

Gemeinsam geht´s besser

 

Die Stadt Wien nennt sich Smart City Wien. Eine „intelligente Stadt" die nach innovativen Lösungen, speziell in den miteinander verknüpften Bereichen Energie, Gebäude, Mobilität und Infrastruktur inklusive Informationstechnologien strebt, ist mitten in der „Testphase“.

 

Es gilt immer noch der Vertrauensgrundsatz der StVo, welcher zu ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme auffordert. Jeder von uns ist zu Fuß unterwegs – um dies auch weiterhin mit Freude tun zu können, gilt es bei sich selbst anzufangen und entspannter im Straßenverkehr mit Konfliktsituationen umzugehen.

 

 

Folgende ExpertInnen standen für die Diskussion zur Verfügung:

 

Markus Gansterer (VCÖ - Mobilität, Technologie und Ökonomie)

Der VCÖ ist eine auf Mobilität und Transport spezialisierte, gemeinwohlorientierte Organisation. Ziel des VCÖ ist ein ökologisch verträgliches, ökonomisch effizientes und sozial gerechtes Verkehrssystem. Der VCÖ arbeitet wissensbasiert und zeigt Lösungen auf, die langfristig zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.

 

Petra Jens (Mobilitätsagentur Wien)

Beauftrage für das zu Fuß Gehen in Wien. Die Mobilitätsagentur ist Ansprechpartnerin für all jene, die konkrete Verbesserungsvorschläge zum Fuß- oder Radverkehr haben oder Kritik üben möchten. Als Vermittlerin zwischen Bevölkerung, Verwaltung und Politik arbeitet sie daran, das zu Fuß Gehen und Radfahren in der Stadt einfacher, bequemer und sicherer zu machen.

 

Roland Romano (Radlobby Wien)

Die Radlobby Wien, als verkehrspolitische Plattform, kümmert sich um die umfassende Stärkung des Radverkehrs und die Verbesserung der Rad-Infrastruktur in Wien. Die Radlobby betreibt den RadKummerKasten als Beschwerdetool für Radverkehrsprobleme, veranstaltet Radkurse, Aktionen und Radevents wie das ARGUS Bike Festival am Rathausplatz und die RADpaRADe.

 

Hanna Schwarz (Geht doch - Initiative fürs zu Fuß Gehen und den Öffentlichen Raum)

Geht doch vertritt Angelegenheiten aller zu Fuß Gehenden, egal ob er oder sie gerade aus der Wohnungs-, U-Bahn-, oder Autotüre in den Öffentlichen Raum tritt. „Die Lebensqualität einer Stadt drückt sich dadurch aus, wie viele Menschen sich gerne zu Fuß in ihr bewegen und diese aktive Mobilität nutzen“.

 

Fabian Dorner (TU Wien, Fachbereich Verkehrssystemplanung)

Das IVS beschäftigt sich in Lehre und Forschung mit Verkehr, Mobilität und Logistik im Kontext der räumlichen Entwicklung sowie in Wechselwirkungen mit sozialen, technologischen und ökonomischen Aspekten. In Lehre und Forschung stehen die Analyse sowie die nachhaltige Gestaltung von Mobilität und Verkehr im Vordergrund.