20.10.2017 / Agenda Alsergrund

Das Rauschen von Tokio am Wiener Gürtel.

Rückblick zum Vortragsabend Stadtrauschen am 16. Oktober.

Die Agendagruppe Ruhige Orte am Alsergrund hatte am Montag in die Johannes Nepomuk Kapelle geladen, um mit Peter Androsch, Antje Lehn und Wolf-Maximilian Liebich das Rauschen der Stadt zu ergründen.

 

Ein Einstieg gestaltete Filmemacher, Regisseur und Sounddesigner Wolf-Maximilian Liebich. In seiner Arbeit spielen die Sounds von Stadt und Landschaft eine wesentliche Rolle, um die jedem Ort gegebene besondere Stimmung wiederzugeben. Im Gepäck hatte er eine feine Auswahl seiner Soundbibliothek, um mit Rauschen aus Tokio, Venedig und Wien die Anwesenden für das Thema einzustimmen. Anschließend verstärkte er mithilfe eines Tonabnehmers die Geräusche von elektronischen Geräten und demonstrierte so, welches Rauschen uns tagtäglich umgibt, ohne als solches bewusst wahrgenommen zu werden.

 

Peter Androsch, ist Musiker, Komponist, Schallkünstler und Präsident des Vereins Hörstadt Linz. Als Labor für Akustik, Raum und Gesellschaft entwickelt Hörstadt neue Methoden, wie die Inklusive Akustik. Ziel ist eine menschengerechte Gestaltung der akustischen Umwelt. Androsch zeigte in seinem Vortrag die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Mensch, Stadt und Akustik auf. „Schall sollte viel positiver konnotiert sein“, so Androsch, „der Schall gehört zum Menschen dazu. Wir sind ´Personen´ und ´Per sonare´ heißt auf Lateinisch ´durchklingen´. Wir sind Wesen, die Schall aufnehmen und erzeugen.“ Jede Kultur hört anders und jede Zeit hat ihre bestimmte Wahrnehmung. Lärm ist jeder nicht gewollte Schall. Dazu Androsch „Das deutsche Wort "Lärm" kommt vom lateinischen bzw. italienischen Ausdruck "all'arme" - "zu den Waffen". Das englische "noise" kommt vom lateinischen "nausea". Das steht für Seekrankheit und Orientierungslosigkeit.“

 

Es gibt also kulturell sehr unterschiedliche Zugänge. Die erste Ruhehalle, von Dr. Sommer in Dresden, entstand in den Zwanzigerjahren, während der großen Weltwirtschaftskrise. „Man hatte das Gefühl, dass alles zu viel wird, alles auf einen einstürzt.“, so Peter Androsch.

 

Antje Lehn studierte Architektur an der Universität Stuttgart und an der Universität für Angewandte Kunst, Wien. Sie lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Architekturvermittlung für junge Menschen und Kartographie, insbesondere die Entwicklung von partizipativen Methoden.

 

Sie kartiert mit Schüler*innen das Unsichtbare. Sie widmet sich in partizipativen Projekten der subjektiven Wahrnehmung des urbanen Raums. Dabei geht es immer wieder auch um die Wahrnehmung von Schall, wie beispielsweise bei Hörspaziergängen. Neue Erkenntnisse entstehen dabei oft auch durch künstlerische Praktiken, wenn beispielsweise Ergebnisse in Karten oder Skulpturen übersetzt werden.
Antje Lehn stellte eine Reihe von Projekten vor, diese tragen Namen wie, „Atlas unsichtbarer Räume“, das „Fliegende Klassenzimmer“ oder „Eintagsmuseum“.

 

In der anschließenden Diskussion, wurde deutlich wie vielfältig die Zusammenhänge von Akustik, Raum und Mensch sind. Gemeinsam wurde das Thema unter vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Zum Beispiel, dass mehr als ein Drittel aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf „akustischen Stress“ zurückzuführen sind. Von den Vortragenden wird ein bewussterer Umgang mit dem Thema gefordert. Einen Beitrag leisten Projekte wie „Beschallungsfrei“. Der Verzicht auf Hintergrundmusik erhöht Lebens- und die Kommunikationsqualität im öffentlichen Bereich. Ein großer Prozentsatz der Bevölkerung leidet heute bereits an einer Hörminderung. Und schon bei einer Hörschwäche von wenigen Prozent, können sich diese Menschen nicht mehr richtig unterhalten und werden so von der Gesellschaft ausgeschlossen.

 

Unserer Umwelt wird vordergründig aufgrund visueller Kriterien gestaltet. Die Akustik spielt im planerischen Alltag von PlanerInnen und ArchitektInnen meist noch eine untergeordnete Rolle. Dennoch sind sie als „Sounddesigner der Stadt“ besonders gefordert, akustische Parameter in die Planungen stärker einfließen zu lassen.